Kimberleys Weihnacht

by on Dez.13, 2010, under Bücher, Gesellschaft, Humor

Kim berichtet von dem Leidensweg, den die Weihnachtszeit für sie bedeutet. Sie sieht sich gezwungen, in diesem Jahr das Familienfest auszurichten. Mit ihrer umfangreichen, generationenübergreifenden Familie, Nachbarn und deren Freunden und Angehörigen erwächst sich die Unternehmung zu einer unüberblickbaren Aufgabe, der sie ohne Hilfe nicht gewachsen ist. Seltsame, unheimliche und absurde Begegnungen und Einbildungen lassen sich bald nicht mehr durch die Flucht in alkoholische Getränke erklären. So eskaliert die Lage am Heiligabend mit dem Aufeinandertreffen der unterschiedlichsten Charaktere, Ansichten, Moralvorstellungen und dem ein oder anderen Fabelwesen. Wird es Kim gelingen, das Weihnachtsfest trotz zahlreicher unvermeidlicher Katastrophen zu retten?

Erschienen im AAVAA Verlag 2010

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im AAVAA Verlag

Leseprobe:

Erna schubste inzwischen Armin vorwärts. „Wir gehen“, verkündete sie. „Diese Umgebung kann und will ich unschuldigen Gemütern nicht länger zumuten. Emil, kommst du?“
„Also ich …“ Emil tauschte mit Tessa einen Blick. Das gab es doch gar nicht. War die Welt denn jetzt voller Paare? Und ich der einzige Single in meinem eigenen Haus?
Ich fing einen Blick Samiras auf. Sicher, sie teilte mein Schicksal. Aber im Gegensatz zu mir, war sie noch jung. Ich kippte den Inhalt des Glases, das ich noch in meiner Hand hielt, meine Kehle hinunter.
„Ich denke, wir bleiben noch ein wenig“, meinte Emil dann. „Ist doch so nette Gesellschaft hier.“ Tessa lächelte. Doch als Erna Armin nun auf ihren Bruder zu dirigierte, offenkundig in der Hoffnung, dass ein Mann ihm Verstand einprügeln konnte, sprang sie auf und nahm mich am Arm. „Wieso hast du mir nie verraten, was für einen hinreißenden Bruder du hast?“
„Emil?“ Ich brauchte unbedingt noch einen Drink.
„Natürlich Emil, er ist entzückend.“
„Er ist ein Zwangsneurotiker. Putzt den ganzen Tag. Deshalb hat seine Frau es nicht mehr ausgehalten.“
Tessa schnalzte mit der Zunge. „Du redest wirr. Er putzt, kocht, räumt auf, hat einen Job und ist zuverlässig. Zieht alleine ein Kind auf, um Himmels willen. Er ist ein Traummann.“
„Emil?“ Eindeutig brauchte ich einen Drink. „Das willst du mir nicht wirklich antun.“
„Ach du, Witzbold.“ Sie knuffte mich in die Seite. „Ich bin so froh, dass du mich heute eingeladen hast. Deine Familie ist Gold wert.“
Ich sah auf Erna. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“
„Ach komm“, meinte Tessa. „Sieh sie dir doch an.“ Ich warf einen Blick auf Clarissa, die gerade ihren Kopf zur Seite neigte und ihrem Neffen Tamino durch sein Haar fuhr. Es störte sie keineswegs, dass er gerade dabei war, dem Lebkuchenmann seine Puderzuckerknöpfe abzureißen, die sie vermutlich in sorgfältiger Kleinarbeit hergestellt hatte. Mich störte allerdings der Anblick der roten Flecken an ihrem Hals, die sichtbar wurden, als ihr Tuch verrutschte. Zuerst dachte ich an Knutschflecken und unterdrückte einen Würgereiz. Doch dann fiel mir auf, dass die Male erheblich kleiner und auch dunkler aussahen, punktförmig, fast wie Bisswunden.
Ich packte Tessa am Arm. „Jacques“, keuchte ich und fühlte mich ein wenig bestätigt, als Tessa tatsächlich erstarrte. „Was ist mit dem Jungen?“, fragte sie vorsichtig. „Hast du nicht Angst …“
„Ich wollte es dir sagen“, unterbrach Tessa mich rasch. „Nur fand ich nicht den richtigen Zeitpunkt. Du warst so beschäftigt. Und dann überschlug sich alles.“
„Ich meine Clarissa …“
Plötzlich und ohne dass ich mehr gesagt hatte, richteten sich kühle Augen auf mich. Die Valizianer verfügten über ein erstaunlich gutes Gehör.
Ich senkte meine Stimme. „Es sieht fast aus, als sei sie gebissen worden. In den Hals.“
„Und du denkst … nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Nicht nachdem ich mich mit dem Gedanken angefreundet habe …“ Sie unterbrach sich und stürzte zur Tür. „Tanja! Du kommst sofort rein.“
„Aber Mama, was ist denn?“ Tanja kraulte Jacques im Nacken und kam widerstrebend näher. Tessa stemmte die Hände in die Seiten, starrte den Wolf an, der seinerseits einen Hundeblick auf sie richtete. Fast tat er mir leid. „Wir haben uns gerade erst ausgesprochen“, schmollte Tanja weiter. „Du weißt doch, wie unglücklich ich war. Aber jetzt ist alles geklärt.“
Tessa starrte den Wolf ärgerlich an, der sich tiefer duckte und leicht zurückwich.
„Jacques.“ Der Wolf winselte.
„Hast du jemanden gebissen? Jemanden aus diesem Haus, dieser Familie?“
„Aber Mama, wie kannst du nur? Das hatten wir doch alles.“
„Würde ich nie tun“, sagte Jacques zu meinem Erstaunen. Er war schwierig zu verstehen, die Zähne behinderten ihn ein wenig.
„Ich weiß nichts über die Glaubwürdigkeit von Wölfen“, schimpfte Tessa. „Vielleicht war es auch einer von seinen Freunden. Ich sehe keine anderen bissigen Wesen hier.“
„Wir sind nicht bissig“, brummelte Jacques.
Im Hintergrund räusperte sich jemand. „Da haben die Vierbeiner Recht.“
„Wie bitte?“ Tessa fuhr herum und stand plötzlich vor Arminius. Der hatte sich so schnell vor ihr aufgebaut, dass auch ich sein Nahen nicht bemerkt hatte.
„Kommen Sie doch lieber herein. Sie alle.“ Er nickte in Richtung der Wölfe. Die sahen sich an, zogen ihre Schwänze ein und kamen ins Haus, noch bevor ich wiedersprechen konnte. Eigentlich war ich auch nicht mehr zum Widerspruch fähig. Wölfe im Haus? Warum auch nicht? Und wenn sie schon zugaben, nicht bissig zu sein, dann konnte doch wirklich nichts geschehen. Außerdem schneite es inzwischen in dicken Flocken. Da jagte man keinen Hund vor die Tür. Oder Wolf.
Es war ein bisschen eng im Wohnzimmer, dennoch passten wir alle hinein. Ich ignorierte Ernas entsetzten Aufschrei beim Anblick der Wölfe, die sich vermutlich mehr erschreckten als sie und hinter dem Sofa zusammenkauerten.
„Sie können sich nicht zurückverwandeln“, warf Tanja Erna vor. „Egal wie sehr sie sich aufregen. Erst wenn die Sonne aufgeht, nehmen sie wieder ihre normale Gestalt an.“
„Armin!“
„Ist schon gut, Liebling.“ Armin, sichtlich ausgebrannt, murmelte nur noch leere Phrasen.
Arminius hingegen hatte wieder das Strahlen aufgesetzt, das mich bereits am Vortag genervt hatte. „Erst einmal meinen Dank für dieses wunderbare Fest.“ Er deutete eine Verbeugung in meine Richtung an. „Dass wir nun zu dieser Familie gehören, erfüllt uns mit Glück und Stolz.“
Erna starrte auf die Wölfe. Die ihrerseits starrten sie an. „Ich will nach Hause.“
„Aber sicher, meine Gnädigste.“ Nun verbeugte Arminius sich in ihre Richtung. „Und es wäre mir eine Freude, wenn wir Sie nach Hause bringen dürften.“
„Wir sind mit dem Auto da“, flüsterte Erna erschrocken. „Und wir haben Schneeketten“, bemerkte Armin.
„Aber natürlich“, nickte Arminius und reichte unvermutet Armin seine Hand. Dessen Mund klappte auf, dennoch gab er einen kräftigen Händedruck zurück.
„Sie sind betrunken und draußen ist es glatt“, sagte Arminius. „Wir werden Sie heimbringen. Ihr Bruder und unsere Tochter sind verlobt. Nun sind wir auf ewig verbunden und füreinander verantwortlich.“
„Öh, nun übertreiben Sie aber“, meinte Armin.
„Mitnichten, lieber Freund. Ist Ihnen überhaupt aufgefallen, dass wir uns einen Namen teilen? Auch wenn meiner ein wenig klassischer anmutet. Aber das liegt in der Natur der Sache und in meinem Alter begründet.“
„Was faseln Sie da nur?“, murrte Armin. „Für den Fall, dass es Ihnen nicht aufgefallen ist, meine Frau ist sehr skeptisch, was die Verlobung betrifft. Sehr skeptisch.“
„Mann, das ist doch egal“, fiel ich ein. „Was ist mit dem Biss? Wir haben hier ganz andere Probleme.“ Es kam nicht sehr überzeugend heraus, da mich ein Schluckauf peinigte. „Hicks, ich meine – Clarissa?“
Clarissa hob die Augenbrauen. „Was ist mit mir?“
„Hast du dich verletzt?“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ach ich dachte nur – hicks – da!“
Sie hatte ihren Schal abgelegt und ich zeigte aufgeregt auf die Wunden. „Das sind doch … ich meine … hicks!“
„Ach das.“ Clarissa kicherte. „Ist nicht so wie du denkst. Das war ganz allein meine Entscheidung. Ich wollte es.“
„Du wolltest dich von einem Werwolf beißen lassen?“
„Was? Nein – natürlich nicht.“
Clarissa sah sich hilflos um, bis sie Theobald entdeckte, der bereits wieder auf gewohnt missmutige Art in der Ecke stand. „Ich hab mich von ihm beißen lassen.“
„Wie bitte?“ Ich traute meinen Ohren nicht. Und offenbar ging es anderen ebenso.
„Wieso solltest du so etwas tun?“, fragte Emil entgeistert.
„Das ist doch krank“, murmelte Isabelle. „Du brauchst Hilfe, Mädchen.“
„Nein, jetzt nicht mehr“, lachte Clarissa glücklich.
„In was für eine Familie willst du da einheiraten?“ ging Erna nun auf Konrad los, der den Austausch stumm verfolgte, nur seinen Arm schützend um Amalia gelegt hielt. „Beißt du etwa auch andere Menschen?“
Nun richtete Konrad sich gerade auf. „Jetzt reicht es aber. Nein, ich beiße nicht. Und wenn Clarissa das will, dann ist das ihre Sache.“
„Aber doch nicht vor den Kindern“, protestierte Erna.
„Das ist doch alles ganz anders“, mischte sich Pandora ein. „Der Abend hat so schön angefangen …“
„Himmel – Herrgott“, schimpfte Konrad. „Jetzt hab ich aber genug. Seid ihr denn alle völlig von gestern? Muss ich euch wirklich mit der Nase drauf stoßen? Wir haben Wölfe im Wohnzimmer. Wollt ihr mir erzählen, dass ihr nicht von selbst darauf kommt.“
„Worauf – hicks – denn?“
„Darauf dass mehr Dinge zwischen Himmel und Erde existieren, als das Fernsehen uns beibringt.“
„Und zwar?“ Ich hatte ehrlich gesagt genug von dem Geschwafel.
„Kim!“ Clarissa kam strahlend und bleich auf mich zu. Eine irritierende Kombination, wenn auch nicht so irritierend, wie ihre Worte. „Ich habe mich beißen lassen. Ist das nicht großartig?“
„Das kann ich gar – hicks – nicht finden.“
„Du siehst die Konsequenzen nicht“, fuhr sie eifrig fort. „Stell dir nur vor, nie wieder Kalorien zählen? Nie wieder in den Spiegel sehen müssen. Ich kann für immer dünn bleiben.“
„Für die Ewigkeit“, ergänzte Arminius.
„Ach nein“, seufzte Konrad. „Du willst tatsächlich einer von ihnen werden?“
„Schon passiert“, verkündete Clarissa stolz. „War ganz leicht. Hat auch fast nicht weh getan.“
„Da hörst du es“, schubste Amalia Konrad an. „Es tut nicht weh.“

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